Band 2. Bie-Eul, 1994.pdf

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Historisches Wörterbuch
der Rhetorik
Historisches Wörterbuch
der Rhetorik
Herausgegeben von Gert Ueding
Mitbegründet von Walter Jens
In Verbindung mit
Wilfried Barner, Joachim Dyck, Hans H. Eggebrecht, Ekkehard Eggs,
Manfred Fuhrmann, Konrad Hoffmann, Joachim Knape, Josef Kopperschmidt,
Friedrich Wilhelm Korff, Egidius Schmalzriedt, Konrad Vollmann
Unter Mitwirkung von mehr als 300 Fachgelehrten
Max Niemeyer Verlag
Tübingen
Historisches Wörterbuch
der Rhetorik
Herausgegeben von Gert Ueding
Redaktion:
Gregor Kalivoda
Heike Mayer
Franz-Hubert Robling
Band 2: Bie—Eul
Max Niemeyer Verlag
Tübingen 1994
Die Herausgabe wird mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft
und der Universität Tübingen gefördert.
Wissenschaftliche Mitarbeiter des Herausgebers:
Bernd Steinbrink (bis 1987)
Berthold Brohm (bis 1991 )
Peter Weit
(seit 1985)
Mitarbeiter der Redaktion:
Ulrich Brand, Markus Fauser, Björn Hambsch,
Michael Haspel, Roger Jacob, Jens König,
Guido Naschert, Britta Stengl, Thomas Stephan,
Thilo Tröger
Anschrift der Redaktion:
Historisches Wörterbuch der Rhetorik
Wilhelmstraße 50
D-72074 Tübingen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Historisches Wörterbuch der Rhetorik
/ hrsg. von Gert Ueding.
Mitbegr. von Walter Jens in Verbindung mit Wilfried Barner . . .
Unter Mitwirkung von mehr als 300 Fachgelehrten. -
Tübingen: Niemeyer.
NE: Ueding, Gert [Hrsg.]
Bd. 2. Bie-Eul. - 1994
ISBN 3-484-68100-4 (Gesamtwerk)
ISBN 3-484-68102-0 (Band 2)
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1994
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des
Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany.
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Satz und Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen.
Bindearbeiten: Heinr. Koch,Tübingen.
Vorwort
Grundsätze und Konzeption des «Historischen Wörter-
buchs der Rhetorik» sowie alle nötigen Hinweise für den
Gebrauch erläutert das Vorwort des ersten Bandes in
gebotener Kürze und Übersichtlichkeit. An diesem Rah-
men hat sich nichts geändert, auch wenn im Detail der
formalen Gestaltung und des Abkürzungsverzeichnisses
Verbesserungen vorgenommen wurden ; sie sind das Er-
gebnis kritischer Lektüre und größerer Erfahrung, die
die Redaktion seither sammeln konnte. Das betrifft auch
die redaktionelle Arbeit mit ihren Korrekturgängen und
Fehlerquellen selber, so daß mancher Unsicherheitsfak-
tor beseitigt und die Quote der Versäumnisse und An-
fangsirrtümer durch eine intensivere Kommunikation
zwischen Autoren, Fachberatern und Redaktion gesenkt
werden konnte.
Durchgängiges Problem der Arbeit an diesem Lexi-
kon bleibt das Verhältnis von Begriffs- und Sachge-
schichte, das sich im Falle der Rhetorik anders und wohl
auch schwieriger als etwa bei der Philosophie stellt;
schon die Korpusüberprüfung und -bearbeitung, dann
die Lemmataauswahl und
-Zuweisung,
schließlich die
Methode der Darstellung müssen der «Verbindung von
formalen Anforderungen und Sachwissen» entsprechen,
die «der Rhetorik von Anfang an eigentümlich» war (M.
Fuhrmann, Die antike Rhetorik, 1984, S.9). Auf der
einen Seite besitzen wir also das Fächerwerk der syste-
matischen Begrifflichkeit, die die Rhetorik seit der Anti-
ke ausgebildet hat und die uns in ihren Lehrbüchern
überliefert ist. Deren freilich nie eindeutig fixierbare
Nomenklatur - man denke nur an die Neuprägungen der
Renaissance («Evasio», «Exclusio») und der Aufklärung
(«Bathos»), an die ständigen Modifikationen innerhalb
der Figurenlehre («Epanalepse») oder gar an Phantom-
wörter («Invitio») und einmalige Begriffsbildungen
(«Absehen», «Fünfsatz») - bildet das begriffliche Gerüst
des Wörterbuchs. Allein, die Rhetorik war nicht nur eine
formale Disziplin, die sich mit Redeformen und Argu-
mentationstechniken beschäftigte, sie lehrte anderer-
seits auch die Weise des Zugangs zu den Sachen selber,
vermittelte deren Kenntnis, begriff sich gar als Teil der
Staatskunst (Aristoteles) und Faktor vernünftiger gesell-
schaftlicher Praxis. Auch hier führt der Weg der Sachbe-
schreibung natürlich über die Sprache, die oftmals ein
stereotypes Vokabular zur Verfügung stellte, ohne daß
dieses die Präzision einer Fachterminologie oder die All-
gemeinheit eines Begriffs entwickelt hätte. Die Ge-
schichte der rhetorischen Sachkultur - also etwa der
Epochen, die zum einen der kulturellen Wirkung der
Rhetorik ihre Ausprägung verdanken, zum anderen rhe-
torische Entwicklungsstufen repräsentieren («Barock»);
oder der öffentlichen Sachbereiche, in denen Rhetorik
praktische Bedeutung erlangte, wie der Politik, der Pres-
se, dem Gerichts- und Bildungswesen - ist freilich oft-
mals noch unzureichender dokumentiert als die rhetori-
sche Begriffsgeschichte und stellt an die Autoren der
entsprechenden Artikel erhöhte Anforderungen. Das
gilt besonders für die Geschichte der rhetorisch nur rudi-
mentär reflektierten letzten zweihundert Jahre und die
V
heute so wichtige Verschränkung der Rhetorik mit poli-
tischer Theorie, Sozialphilosophie, Strukturalismus oder
Kulturanthropologie. Die Mehrschichtigkeit von Ge-
schichte, System, Theorie und - besonders wichtig -
Praxisformen der Beredsamkeit erweist sich darüber
hinaus noch weiterhin kompliziert durch die lebhafte
gegenwärtige Forschung auf allen Gebieten. Die Sache,
über die im Lexikon begriffs-
und
problemgeschichtlich
gehandelt wird, verändert sich ständig. Termini, die bis-
her keine oder eine andere Rolle spielten, treten neu
hervor oder werden neu gefaßt («Adressant/Adressat») ;
Sachverhalte werden als rhetorisch erkannt, die bislang
nur unter ästhetischen, poetologischen oder psycholo-
gischen Aspekten behandelt wurden («Rezeption»,
«Leidenschaften», «Autobiographie»); die begrifflichen
Trennungen und Verknüpfungen selber können wech-
seln; und Umfang und Strukturierung werden oftmals
erst durch die Erschließung eines sprachlichen Feldes
deutlich.
Allein die offene, flexible Nomenklatur
trägt
dem so historischen wie gerade deshalb unabgeschlosse-
nen und zudem seit der Antike interdisziplinär ausge-
richteten Begriff von Rhetorik Rechnung, den die mo-
derne Rhetorikforschung erarbeitet hat (ζ. Β. Ballweg,
Bubner, Dubois, Kopperschmidt, M. Meyer) und der
natürlich auch dem HWR zugrunde liegt. Dessen Aufga-
be ist es zudem, nicht nur deskriptive, theoretische oder
systematische Begriffe zu präsentieren, sondern ebenso
rhetorisch bedeutsame Sachverhalte, die über eine ein-
zelne Wortgebrauchsgeschichte hinausgehen («Dem-
agogie», «Massenkommunikation»). Das hat nichts mit
einem rhetorischen Imperialismus zu tun, sondern ist das
Ergebnis rhetorischer Lektüren, die den disziplinaren
Zusammenhang auch dort sichern, wo er durch Umfor-
mulierungen oder veränderte wissenschaftliche Zugriffe
undeutlich geworden ist.
Eine weitere Eigenart der rhetorischen Disziplin ist ihr
interdisziplinärer Charakter. Dabei grenzt sie nicht nur
an Poetik und Dialektik, entsprechend den gemeinsa-
men Regeln und Verfahrensweisen; es gibt kaum ein
Gebiet menschlicher Praxis, in dem nicht schon die Grie-
chen den Einsatz rhetorischer Strategien, Vermittlungs-
methoden und Sachauslegungen bedacht und praktiziert
hätten. Diese Ausweitung des Wirkungsfeldes reicht bis
zur Entwicklung einer rhetorischen Lebensform im Hu-
manismus. Ob es sich um die Theorie der Prosaliteratur,
des Briefes, der Geschichtsschreibung handelt, um die
Methode der juristischen Argumentation und der politi-
schen Meinungsbildung, um gesellschaftliche Konversa-
tion und die Ethik menschlicher Rede, um pädagogische
oder andere persönlichkeitsprägende Methoden und In-
halte - die Rhetorik ist, so paradox das erscheinen mag,
eine Disziplin der Grenzüberschreitung immer gewesen
und bis heute geblieben, da der Kernbereich ihres Wis-
sens und ihrer Praxis, die Rede als wirkungsintentionaler
Ausdruck der Überzeugungen, Bedürfnisse und Interes-
sen des Menschen, in der Tat ubiquitär ist.
Ein dritter Hauptpunkt soll in diesem Zusammenhang
abermals thematisiert werden: der Traditionsabbruch
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