Skeptiker 2018 04.pdf

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Herausgeber: GWUP e. V.
E
6,– · ISSN 0936-9244 · D 10391
4/2018
Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken
Biologielehrer
und Pseudomedizin
Die Meditonsin-Story
Skeptizismus:
Eine Systematik
Lachen, Nachdenken, Zweifeln
Interview mit »Skeptic Comedian« Ian Harris
E D I TO R I A L
Liebe Leser,
„Pflanzliche Medikamente sind sanfter als an-
dere“, „Heilpraktiker sind Ärzte mit Zusatzaus-
bildung“, „Es ist wissenschaftlich belegt, dass
Homöopathie wirkt“: Irrtümer wie diese sind sogar unter angehenden
Biologielehrerinnen und -lehrern verbreitet, wie eine aktuelle Studie
der Uni Gießen belegt. Die beiden Autoren, Elena Hamdorf und Prof.
Dittmar Graf vom GWUP-Wissenschaftsrat, haben die Ergebnisse ihrer
Untersuchung für unser Heft zusammengefasst.
Kennen Sie Meditonsin? Gerade in der Schnupfensaison geht das „meist-
genutzte homöopathische Arzneimittel bei Erkältungskrankheiten“ ver-
mehrt über den Ladentisch der Apotheken. Doch was sich wirklich in
den Tropfen und Kügelchen verbirgt, hätte den Homöopathie-Erfinder
Samuel Hahnemann ebenso überrascht, wie es Vertreter einer evidenzba-
sierten Medizin zum Kopfschütteln bringt. Udo Endruscheit skizziert für
uns „Die Meditonsin-Story“.
Wir sind stolz darauf, dass die GWUP weitere Persönlichkeiten aus For-
schung, Lehre und Wissenschaftskommunikation als Unterstützer für
ihr Fellow Board gewinnen konnte. Gleich zwei von ihnen haben auf-
grund von wissenschaftlichen Argumenten ihre früheren Überzeugungen
abgelegt. So kehrte der britische Journalist und Buchautor Mark Lynas
der Anti-Gentechnik-Lobby den Rücken und plädiert heute für moder-
ne Technologien in Landwirtschaft und Umweltschutz. Britt Marie Her-
mes verkaufte als „Naturopathin“ (Naturheilerin) allerlei Pseudomedizin.
Heute leistet sie mit ihrem Blog „Naturopathic Diaries“ wertvolle Auf-
klärungsarbeit. Dafür wurde Hermes nun mit dem renommierten „John
Maddox Prize“ geehrt. Wir gratulieren!
Bildquellen:
Adobe Stock 197765269 – Cookie Studio
Der Skeptiker informiert aus
kritischer, wissenschaftlicher
Sicht über Parawissenschaften.
Unter diesem Sammelbegriff
behandelt er vor allem die
Bereiche, die in der Öffentlich-
keit als Aberglaube, Esoterik,
Okkultismus und Pseudowis-
senschaft verstanden werden.
Fundiert und allgemeinverständ-
lich berichten Journalisten und
namhafte Experten unterschied-
licher Fachgebiete über aktuelle
Entwicklungen und neue
Erkenntnisse. Im Mittelpunkt
stehen Fragen wie: Was ist
dran an parawissenschaftlichen
Behauptungen? Warum glauben
viele Menschen daran? Und wie
schützt man sich vor wirkungs-
losen Therapien und teurem,
oft sogar gefährlichen Unsinn?
Inge Hüsgen
w w w. s k e p t i k e r. d e
Jahrgang 31 (2018)
Heft 1, Seiten 1 – 48
Heft 2, Seiten 49 – 100
Heft 3, Seiten 101 – 156
Heft 4, Seiten 157 – 208
Liebe Leserinnen und Leser,
ganze 9 Jahre konnten wir den Preis des
Skeptiker
stabil halten. Auch das neue
farbige Layout seit 2014 haben wir ohne Preisanpassung eingeführt. Die allge-
meinen Kostensteigerungen machen aber auch vor uns nicht halt. Ab Ausgabe
1/2019 wird daher das Einzelheft 7 € kosten, das reguläre Abonnement 30 € (inkl.
Portozuschlag). Bei Erteilung eines Lastschriftmandats gewähren wir 2 € Rabatt.
Für das Auslandsabonnement müssen wir 34 € berechnen. Der Preis für die
e-Paper-Ausgabe bleibt unverändert. Wir bitten um Verständnis für diesen notwen-
digen Schritt und hoffen, die neuen Preise wieder für einen längeren Zeitraum hal-
ten zu können. Mitglieder der GWUP erhalten den Skeptiker weiterhin kostenlos.
Ihre GWUP
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skeptiker 4/2018
INHALT
THEMA
Wissen und Einstellung zur Alternativmedizin
Elena Hamdorf und Dittmar Graf
........................................................................
Die Meditonsin-Story
Udo Endruscheit...........................................................................................................
FORUM
Skeptizismus – Eine kleine Systematik
Martin Mahner
............................................................................................................
BERICHT
QED: Question, Explore, Discover
Annika Merkelbach
.....................................................................................................
Das Goldene Brett 2018
Florian Aigner
..............................................................................................................
Die Fellows der GWUP (2)
Inge Hüsgen
...................................................................................................................
S K E P T I S C H E I N I T I AT I V E N
Skeptics in the Pub
Köln
Rouven Schäfer
.............................................................................................................
WA S M I C H Z U R S K E P T I K E R I N M A C H T E
Podcasts und Guerrilla Skepticism on Wikipedia
Annika Merkelbach
.....................................................................................................
SCHLAULI CH T
.................................................................................................
MAGAZIN
Lachen, Nachdenken, Zweifeln
Interview mit Ian Patrick Harris
............................................................................
BU CH KRIT I K
......................................................................................................
NEU ER S CH IE NE N
.....................................................................................
IMP RESS U M
.......................................................................................................
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skeptiker4 / 2018
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THEMA
Wissen und Einstellung
zur Alternativmedizin
Ergebnisse einer empirischen Studie mit Biologie-
Lehramtsstudierenden und einer Vergleichsgruppe
Elena Hamdorf und Dittmar Graf
Vorgestellt werden ausgewählte Aspekte einer umfangreichen Untersuchung über Wissen und Einstellungen zur
Alternativmedizin, die mit verschiedenen Probandengruppen durchgeführt wurde. Im Vordergrund stehen solche
Gruppen, die zukünftig für den schulischen Unterricht zur Gesundheitserziehung Verantwortung tragen werden, also
Biologielehramtsstudierende. An dieser Stelle wird weitgehend darauf verzichtet, auf methodische Aspekte der Studie
einzugehen. Für eine ausführliche Darstellung und weitere Ergebnisse sei auf die Originalveröffentlichung verwiesen
(Hamdorf 2018).
E
rhalt und Förderung der Ge-
sundheit möglichst vieler
Menschen ist eine bedeutsa-
me gesellschaftspolitische Aufgabe.
Gesundheit gilt nach der Jakarta-Er-
klärung der 4. Internationalen Kon-
ferenz zur Gesundheitsförderung gar
als grundlegendes Menschenrecht
und für die soziale und ökonomi-
sche Entwicklung als unabdingbar
(WHO 1997).
Gesundheitsfragen sind auch von
großer fachdidaktischer Bedeutung.
Schließlich gehört die Hinführung
zur Lebensbewältigung zu den vor-
dringlichen schulischen Aufgaben.
Wichtiger Teil dieser Lebensbewäl-
tigung ist die Kompetenz, angemes-
sene individuelle Maßnahmen zum
Erhalt bzw. zur Wiederherstellung
von Gesundheit ergreifen zu kön-
nen. Zur schulischen Gesundheits-
erziehung sollte natürlich unter dem
Gesichtspunkt der Wissenschafts-
orientierung auch die Auseinander-
setzung mit „Alternativmedizin“ ge-
hören.
Foto: Gorodenkoff – Fotolia.com
160
skeptiker 4/2018
WISSEN UND EINSTELLUNG ZUR ALTERNATIVMEDIZIN
Konkret müssen Schülerinnen und
Schüler als zukünftige Erwachsene in
der Schule auf eine gesunde Lebens-
führung vorbereitet werden. Hierzu
sollten sie zumindest mit den nöti-
gen Sachinformationen versorgt wer-
den. Bereits 1979 hat die Kultusminis-
terkonferenz spezielle Empfehlungen
für die Gesundheitserziehung in der
Schule verabschiedet. Diese wurden
im Jahr 2012 abgelöst durch die Emp-
fehlungen zur Gesundheitsförderung
und Prävention in der Schule (KMK
2012). Erklärtes Ziel der Vorschläge
ist die Übernahme von Verantwortung
für die verschiedenen Aspekte der eige-
nen Gesundheit und der Gesundheit
der Mitmenschen. Gesundheitsförde-
rung wird als Kernbestandteil der Ent-
wicklung des schulischen Angebots
angesehen. Folgende Themen sollen
in die Schulcurricula integriert wer-
den: Ernährungsbildung, Bewegungs-
förderung, Sexualerziehung, Präventi-
on sexuell übertragbarer Krankheiten,
Hygieneerziehung, Infektionsschutz,
Suchtprävention, Mobbingpräventi-
on, Stressprävention, Gestaltung der
Lernumgebung, Lärmschutz, Unfall-
schutz (KMK 2012).
Wenn man sich diese Liste genauer an-
schaut, fällt auf, dass wichtige Gesund-
heitsaspekte fehlen. So wird völlig auf
die Thematisierung der Wiederher-
stellung von Gesundheit bei Krank-
heit, Verletzungen etc. verzichtet. Es
ist eine Illusion zu glauben, man wür-
de sich bei Befolgung aller guten Prä-
ventions-Ratschläge immerwährender
Gesundheit erfreuen. Vielmehr ge-
hören Erkrankungen und ihre Über-
windung zum Leben im Allgemeinen
und auch zum Leben der Schülerin-
nen und Schüler. Entsprechend sollten
auch Krankheiten und deren Heilung
in der schulischen Gesundheitsförde-
rung ausführlich und gründlich the-
matisiert werden. Inhaltsbereiche
wie Kinderkrankheiten, Sportunfäl-
le, Infektionen (z. B. Grippe oder die
durch Zeckenbisse übertragbaren Er-
krankungen Borreliose und Frühsom-
mer-Meningoenzephalitis FSME),
Epidemien, Allergien und Medika-
mentenwirkungen, wie z. B. Antibio-
tika, oder auch Impfungen, sollten
unseres Erachtens auf alle Fälle behan-
delt werden.
Darüber hinaus sollten sich die Schü-
lerinnen und Schüler unter der all-
gemein
akzep-
tierten
Leitli-
nie der
Wissen-
schaftsorientierung von Unterricht
(siehe Graf 2006) auch die notwen-
digen wissenschaftlichen Standards
der medizinischen Forschung in ein-
fachen Kontexten erarbeiten. Hier gibt
es doch erhebliche Unterschiede bzw.
Erweiterungen (doppelte Verblin-
dung) im Vergleich zu anderen For-
schungsgebieten, etwa Chemie, Phy-
sik oder vielen Bereichen der Biologie.
Die Schülerinnen und Schüler soll-
ten auch das Konzept der evidenz-
basierten Medizin (Hiatt, Goldman
1994; Nordenstrom 2007) kennen-
lernen. Auch mit dem grundsätzlichen
Unterschied zwischen anekdotischen
Schilderungen und wissenschaftlichen
Daten sollten die Lernenden vertraut
gemacht werden. Ebenfalls sollte ei-
ne gute Gesundheitserziehung darauf
vorbereiten, im Erwachsenenalter als
mündige Patienten in der Lage zu sein,
gemeinsam mit den Ärzten über die
Durchführung medizinischer Maß-
nahmen zu entscheiden.
Spätestens durch eine Empfehlung des
Deutschen Bildungsrats aus dem Jah-
re 1970 gilt die Wissenschaftsorien-
tierung als zentraler Leitgedanke jegli-
chen Unterrichts in allen Fächern und
allen Schulstufen: „Wissenschaftsori-
entierung der Bildung bedeutet, dass
die Bildungsgegenstände, gleich ob
sie dem Bereich der Natur, der Tech-
nik, der Sprache, der Politik, der Re-
ligion, der Kunst oder der Wirtschaft
angehören, in ihrer Bedingtheit und
Bestimmtheit durch die Wissenschaf-
ten erkannt und entsprechend vermit-
telt werden“ (Deutscher Bildungsrat
»
Viele Materialien werden ihrer
«
didaktischen Aufgabe nicht gerecht. 
– falls überhaupt vorhanden –, die ih-
re Wirkungen belegen, in aller Regel
den wissenschaftlichen Qualitätskri-
terien nicht gerecht werden und Er-
kenntnisse aus anderen Wissenschaf-
ten ignorieren.
Analysiert man Schulbücher oder an-
dere didaktische Materialien im Hin-
blick auf die Thematisierung alter-
nativmedizinischer Verfahren, wird
man nur gelegentlich fündig. Ham-
dorf (2018) liefert einen ausführlichen
Überblick über Veröffentlichungen zu
alternativmedizinischen Themen, die
innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte
in biologiedidaktischen Fachzeitschrif-
ten im deutschen Sprachraum erschie-
nen sind. Zusammenfassend lässt sich
sagen, dass paramedizinische Heilver-
fahren in solchen Materialien eher sel-
ten thematisiert werden. Wenn ihnen
jedoch ein Beitrag gewidmet ist, wer-
den sie in der Regel ausgesprochen
wohlwollend und unkritisch beurteilt.
Es gibt nur wenige Ausnahmen. Hier
sind vor allem die Beiträge in der Zeit-
schrift
Der mathematische und natur-
wissenschaftliche Unterricht
zu nennen.
Viele Materialien werden ihrer di-
daktischen Aufgabe nicht gerecht,
Unterrichtsvorschläge auf der Basis
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu un-
terbreiten. Vielfach wird der Boden
der wissenschaftlichen Biologie verlas-
sen. Eine Umsetzung derartiger Vor-
schläge im Unterricht wird die oh-
nehin schon schwierige Aufgabe, den
Schülerinnen und Schülern ein ange-
messenes Bild der Wissenschaften zu
vermitteln, weiter erschweren. Ähnlich
skeptiker 4/2018
161
1972). Richtig verstanden, heißt dies
zumindest, dass nichts (als wahr) un-
terrichtet werden darf, was dem Stand
der wissenschaftlichen Erkenntnisse
widerspricht (Graf 2006). Paramedi-
zinische Verfahren haben als eine Ge-
meinsamkeit, dass die Forschungen
Zgłoś jeśli naruszono regulamin