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MASUREN
Alles unter Kontrolle: Masurens Störchen entgeht nichts.
UNTER
STÖRCHEN
Im nordöstlichsten Zipfel Polens fur-
chen viele Reifenspuren den sandigen
Boden: Die Masurische Seenplatte ist
ein Lieblingsziel deutscher Radler.
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Das winzige Kloster Wojnowo könnte noch weiter östlich liegen. Es ist ein Außenposten der russisch-orthodoxen Kirche.
JÖRG SPANIOL
text & fotos
Klingt es wie ein Specht? Wie ein Zweitakt-Moped im Leerlauf?
Nein, beides nicht. Wie also klappert ein Klapperstorch? Egal. Jeden-
falls sitzt auf dem Dach der Backsteinkirche in Wejsuny ein Storchen-
paar, und einer davon klappert mit dem Schnabel, was das Zeug hält.
Den wenigen Einwohnern des Ortes dürfte es schon längst nicht mehr
auffallen, doch für deutsche Städter ist das Geräusch der stakkatoartig
aufeinanderschlagenden Schnabelhälften ein exotischer Klang.
„Jeder vierte Storch ist ein Pole“, behauptet ein Reisehandbuch,
und es scheint, als könne man genausogut sagen: ein Masure. Hier
oben, wo Polen an Litauen und die russische Exklave Königsberg
stößt, muss für die schwarzweißen Riesenvögel das Paradies liegen:
hunderte Seen mit breiten Schilfgürteln, in denen die Frösche quaken,
dazwischen Felder und Gebüsche, die noch nicht im EU-Einheitslook
daherkommen. Und dann sind da noch die hilfreichen Einwohner: Sie
bauen wagenradgroße Plattformen auf Kamine, Dachfirste oder hohe
Stangen, die sie mitten in den Acker rammen – für die Störche. Diese
wiederum bauen genau dorthin gerne ihre Nester und bekleckern die
Umgebung mit reichlich weißem Vogelkot. Beliebt sind sie trotzdem,
wie Rad-Reiseführer Wlodek Kasperski erklärt: „Die Menschen wol-
len die Störche in ihrer Nähe haben, weil sie glauben, dass das Glück
bringt. Na ja – außerdem fangen sie Mäuse.“ Und so kommt es, dass
fast jeder Landkarten-Stopp in einem Dorf aus etlichen Metern Höhe
von bis zu fünf Augenpaaren beobachtet wird. Erst wenn die Radler
wieder in sicherer Entfernung sind, geht die Storchen-Balz weiter.
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Doch eigentlich müssten die Störche längst an Radler-Rudel
gewöhnt sein. Seit Polens Grenzen Richtung Westen offen stehen,
zieht es ausländische Radler in diese Gegend. Während im restlichen
Polen halb Europa zu Gast ist, sind es in Masuren ganz überwiegend
Deutsche. Eine Tatsache, in der die Geschichte der Gegend noch
nachklingen dürfte. Denn bis zum Zweiten Weltkrieg hieß die Gegend
etliche Jahrzehnte sehr deutsch „Ostpreußen“. Man sprach und fühlte
mehrheitlich deutsch – bis die Rote Armee am Ende des Zweiten
Weltkrieges alles Deutsche aus dem Land jagte. Deutsche Ortsnamen
und die deutsche Sprache wurden verboten. „Bis vor etwa zehn Jahren
waren die meisten Deutschen hier noch ‚Heimwehtouristen‘“, sagt
Kasperski, „ältere Leute, die hier irgendwie ihre Wurzeln suchten. Die
sterben natürlich aus. In den letzten Jahren kommen aber immer mehr
jüngere Leute, die einfach unsere schöne Natur genießen wollen.“ Das
deutsch-polnische Verhältnis – in dieser Tourismusregion erscheint es
eher unaufgeregt.
Die Masurische Seenplatte ist zugleich eines der beliebtesten
Urlaubsgebiete der Polen. Doch die Polen zieht es eher aufs Was-
ser. Die Zahl großer Leih-Segelboote mit Kajüten, auf denen sich
Familien und Gruppen über die weiten Seen bewegen, dürfte in
die Tausende gehen. Schleusen, Häfen und Stege sind voller weißer
Jachten. Andere mögen weniger Wasser unterm Kiel. Sie schippern
in einem nicht abreißenden Strom bunter Plastikboote die Krutynia
abwärts. Der Fluss ist ein über 100 Kilometer langes Paddelparadies,
knietief, klar und mit straffer Infrastruktur. Auf besonders stark befah-
renen Abschnitten rasen die Bootstransporter im Viertelstundentakt
Mikolajki liegt mitten in der Seenplatte. An der Hafenpromenade tummeln sich Touristen, das Schwimmbecken des Freibades ist der See.
Problembeeren? Eher nicht. Es sind genug für alle da.
Spezialität: Das größte Schiff der Masuren ist ein schwimmendes Radler-Hotel.
EIGENTLICH MÜSSTEN DIE STÖRCHE AN RADLER-RUDEL GEWÖHNT SEIN.
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Je kleiner die Straße,
desto größer der Spaß.
Sandige Alleen haben
die Radler fast für sich.
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