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Selbstladepistole 
Werle Luger LP-08 in 7,63 mm Mauser
Geht nicht?
Die LP-08 im Kaliber 7,63 mm Mauser von Herbert Werle ist mehr als ein langweiliges Sammlerstück.
Hergestellt aus originalen P.08-Teilen spricht diese Kreation nicht nur den historisch interessierten
Sammler an, vielmehr den extravaganten Waffenfreund, der gern auch mal auf den Schießstand geht.
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DANIEL GUTHANNSS M.A.
Herbert Werle, seines Zeichens Büch-
senmacher aus Dudenhofen in der Pfalz
(www.waffen-werle.de), ist in der Bran-
che und der internationalen Sammler-
szene kein Unbekannter. Bereits mehr-
mals wurde im DWJ über ihn und seine
exotischen Umbauten und Eigenkreati-
onen, die durch seine Liebe zur Pistole
08 ausdrucksstark befeuert werden, be-
richtet. Darunter sein Pistolenkarabiner
oder andere ausgefallene, einmalige Waf-
fenkombinationen. Nichts ist für Her-
bert Werle unmöglich, schon gar nichts
unvertretbar – egal, was der ein oder an-
dere konservative Waffensammler dabei
denken mag. Werle geht oftmals an die
Grenzen des technisch Machbaren, Wer-
le provoziert: Geht nicht, gibt‘s nicht!
Da erscheint seine neuere Kreation
Georg Luger hatte die P.08 im Auf-
schon fast konventionell: die Werle-Lu-
trag seines Arbeitgebers, der Deutschen
ger LP-08. An sich handelt es sich bei die-
Waffen- und Munitionsfabriken, Berlin
sem Streich um eine ganz normale lange
(DWM) ab 1896 bis um die Jahrhundert-
Pistole 08, wie sie auch bei der deutschen
wende nach dem Vorbild der Borchardt-
Armee im Einsatz war, im
Pistole C93 zunächst im
Sammlerjargon auch ge-
neuen Kaliber 7,65 mm Pa-
Für Werle fast
handelt als Ari 08. Wäre da
rabellum entwickelt. Das
schon konventionell
Ziel war eine kriegstaug-
nicht das für eine Pistole 08
untypische Kaliber 7,63 mm
liche Waffe.
Mauser. Doch dazu später mehr.
Die von DWM seit 1900 als Parabel-
Das Vorbild.
Pate der Werle-Luger ist un-
lum-Pistole (aus dem Lateinischen: Si
verkennbar die im Jahr 1908 beim Heer
vis pacem, para bellum – Willst du Frie-
des Kaiserreichs eingeführte und da-
den, rüste zum Krieg) beworbene Pisto-
nach benannte Selbstladepistole P.08 in
le hatte jedoch noch ein großes Manko:
ihrer langläufigen Variante, der langen
Schnell erkannten die Militärs jener Zeit,
Pistole 08, die in dieser Form 1913 ihren
dass das 7,65er-Kaliber eine nur unzu-
Dienst bei der Armee antrat.
reichende Mannstoppwirkung aufwies,
sammeln
Links:
Luxus.
Die Ari 08 von Herbert Werle mit montierten Elfenbein-
griffschalen  erinnert  kaum  an  eine  Kriegswaffe.  Allerdings  hätte 
dem Magazinboden dieser doch sehr teuren Pistole – und somit der 
Gesamtoptik des Werle-Kunstwerks – auch ein zum Elfenbeinkleid 
passender Schuh nicht geschadet.
Rechts: Standard. Sieht aus, wie 
man die lange Pistole 08 kennt. Unten: Draufsicht. Auch von oben 
bietet sich das gewohnt klassische Bild mit dem K-98-Treppenvisier.
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Europas großes Waffen-Magazin
sammeln
und forderten etwas Stärkeres, dem Lu-
ger mit der von ihm neu entwickelten
9-mm-Parabellum-Patrone (9 mm Luger)
nachkam. Er adaptierte seine Selbst-
ladepistole auf das neue Kaliber. Noch
vor der vom Kaiser höchstpersönlich
angeordneten offiziellen Einführung
beim Heer im Jahre 1908 bestellte das
Reichs-Marine-Amt (und führte damit
de facto die später als P.08 bekannte Pis-
tole schon vier Jahre zuvor, am 12. De-
zember 1904, ein) 8000 Exemplare dieser
Waffe im Kaliber 9 mm Luger mit Lade-
zustandsanzeige („Geladen“-Schriftzug
auf Hülsenauszieher) und Kammerfang,
bestückt mit 150 mm langem Lauf und
einem zweistufigen Schiebevisier für die
Distanzen von 100 m und 200 m. Um auf
diese Entfernungen auch effektiv tref-
fen zu können, war die Marine 04 daher
unten am Griffrücken mit einer Schiene
versehen, die der Aufnahme eines ein-
fachen, hölzernen Anschlagbretts und
somit der Verwendung der Pistole als
„leichter Karabiner“ diente. Die Ausliefe-
rung erfolgte mit Anschlagbrett, Leder-
etui, Riemen und Doppelmagazintasche
sowie zwei Ersatzmagazinen.
Ganz im Stil dieser Selbstladepisto-
le 1904 war dann auch die lange Pisto-
le 08 ausgeführt, die ebenfalls als klei-
ner, leichter Karabinerersatz auch zur
Nahverteidigung der Feldartillerie die-
nen sollte. Markante Unterschiede zur
Marine-Version sind der nochmals 5 cm
längere Lauf sowie die Visierung, die
nunmehr nicht auf dem hinteren Ge-
lenkverschlussdeckel saß, sondern vorn
auf dem Laufansatz und sich wie beim
K98 in 100-m-Schritten von 100 m bis zu
optimistischen 800 m einstellen ließ.
Entsprechend präsentiert sich dann
auch die neue Schöpfung von Herbert
Werle – bis auf das Kaliber.
Wilde Spekulationen.
Nun hat Werle seinen
„Ari 08“ ja in 7,63 mm Mauser gefertigt.
Eben jenes Kaliber, das ursprünglich der
Pistole C 96 als Zündstoff diente. Und
Völlig unterschätzt. 
Die  oben  abgebildete 
schematische  Darstellung  eines  Ladezyklus 
einer  Pistole  08  zeigt  anschaulich,  wie  einfach 
vom  Prinzip  her  das  als  extrem  empfindlich 
und störanfällig beschriebene, daher oft unter-
schätzte Kniegelenkverschlusssystem der P.08 
arbeitet.  Nach  Herbert  Werle  ist  es  viel  robus-
ter und unempfindlicher als oftmals angenom-
men.  Schließlich  wurde  es  von  Hiram  Maxim 
ursprünglich als MG-Verschluss konzipiert.
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Selbstladepistole 
Werle Luger LP-08 in 7,63 mm Mauser
man könnte an dieser Stelle spekulieren,
ob denn die Erfindung der 9 mm Luger
notwendig gewesen wäre, ja überhaupt
stattgefunden hätte, hätte Georg Luger
damals selbst gleich auf die 7,63er-Patro-
ne zurückgegriffen, anstelle die von den
Militärs jener Zeit jedoch als deutlich
zu schwachbrüstig deklarierte 7,65 mm
Parabellum als Ausgangsbasis für seine
seinen C93-Umbau zu nutzen – eine in
der Tat etwas gewagte These!
Doch dass eine solche These gar nicht
so abwegig ist, beweist die damalige
Abgestuft. Das Treppenvisier lässt eine schnel-
le Zielerfassung auch auf weite Distanzen zu.
Forderung der Königlich Preußischen
Gewehr-Prüfungs-Kommission (G.P.K.),
die zu schwache 7,65-mm-Parabellum-
Prinzipiell nutzt Herbert Werle für die
Patrone durch die Verwendung der
Herstellung seiner ausgefallenen Stücke
7,63 mm Mauser zu ersetzen. Nur sah
– soweit möglich – originale P.08-Teile.
Georg Luger sich „nicht imstande“, seine
Und idealerweise solche aus Mauser-
Waffe dafür einzurichten. Ernüchternd
Fertigung, die nach Ansicht des Duden-
hieß es im G.P.K.-Bericht vom 21. Au-
hofeners stets besser gehärtet wurden
gust 1901 dazu: „Der Umbau der Pistole
als jene aus DWM-Produktion.
für die Patrone der Mauser-
P.08-Sammlern, denen
Pistole [C96] hat sich nicht
an dieser Stelle das Herz
Die 9 mm Luger
zu bluten beginnt, können
ermöglichen lassen. Ange-
in der Schwebe
jedoch aufatmen. Herbert
stellte Berechnungen ha-
ben ergeben, dass, weil die-
Werle ist kein unbarmher-
ziger P.08-Schredder. Die von ihm zu
se Patrone 5,2 mm länger ist als die der
seinen Eigenkreationen veredelten Real-
Borchardt-Luger-Pistole, die Waffe im
Bestandsstücke sind zumeist nur alte
Griff und Verschluss zu unförmig und
zu schwer werden würde.“ Die Lösung
Beutestücke aus dem tiefsten Russland
Georg Lugers dafür war stattdessen die
oder von anderen vergessenen Flecken
dieser Welt. Entsprechend befinden sie
Patrone 9 mm Luger.
Doch was wäre, wenn Georg Luger
sich meist in einem sehr desolaten Zu-
seinerzeit Herbert Werle als Assistent an
stand. Zudem dürfen sie vor allem eins
seiner Seite gehabt hätte? Spekulationen
über Spekulationen. Nun, Herbert Werle
hat damals den von der G.P.K. geforder-
ten Umbau vollzogen – wenn auch erst
weit über 100 Jahre später.
Doch Spekulation hin, Spekulation
her: Laut Herbert Werle war die Adaption
kein Hexenwerk und gelang ihm in nur
zwei Wochen. Für ihn der Beweis, dass
auch Luger die P.08 in 7,63 mm Mauser
hätte bauen können – nicht aber wollte.
Werles Schöpfung.
Doch werfen wir nun
einen näheren Blick auf Werles Kreation,
welche uns die Transarms Handelsge-
sellschaft in Luxusausführung mit El-
fenbeingriffschalen (www.transarms.de)
für Fotozwecke zur Verfügung stellte.
Im Schwalbenschwanz. Das Korn ist in seinem 
Sattel nach rechts und links verschiebbar.
nicht sein: nummerngleich. Dafür er-
wachen sie nach der Behandlung von
„Doktor Werle“ wieder zu neuem Leben,
erstrahlen auf einer höheren Evolutions-
stufe in neuem Glanz. Auch bekommen
sie von ihm nunmehr eine, wenn auch
neue, Nummerngleichheit zurück.
Ein wesentliches Teil wird jedoch von
Werle stets durch ein neues ersetzt. Sei-
ne Waffen sollen ja schließlich kein hin-
ter Vitrinen eingestaubtes Dasein fristen
wie schon so viele ihrer Art, sie wollen
und sollen geschossen werden. Und da-
bei ist dem Pfälzer Büchsenmacher vor
allem eines wichtig: eine hervorragende
Präzision. Dies ist dann auch der Grund,
weshalb die meist ausgeschossenen und
teils vom Zahn der Zeit und Rost ange-
nagten alten Läufe gegen nagelneue,
blitzblanke Exemplare aus dem Hause
Alles im Kasten. 
Ausgeliefert  wird  die  Werle 
Luger LP-08 im mit grünem Samt ausgeschla-
genem  Holzkasten.  Waffe  und  Zubehör  sind 
darin  gut  geschützt.  Die  repräsentative, 
abschließbare Box lässt sich zu-
gleich  für  den  Transport 
der  Waffe  ein-
setzen. 
sammeln
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Europas großes Waffen-Magazin
sammeln
Wein zum Fisch. 
Je  nach  Geschmack:  Fisch-
haut auf Holz oder Weinranken auf Elfenbein. 
Lothar Walther ausgetauscht werden.
Werle kauft diese als weißfertige Rohlin-
ge – in diesem Fall im Diameter 7,63 mm
mit 250-mm-Drall – in Ulm ein und fräst
deren Äußeres exakt nach den Original-
maßen in Form.
Ein weiterer Punkt in Sachen guter
Präzision ist bekanntermaßen der Ab-
zug. Diesen überarbeitet Werle ein we-
nig, sodass von dem für eine Dienstwaf-
fe – damals wie heute – nicht unüblichen
2,5 kg bis 3,0 kg Abzugsgewicht noch
sportlich vertretbare 1700 g übrig blei-
ben. Sonst bleibt alles beim Alten. Somit
unterscheidet sich die Werle LP-08 also
nicht von ihrem Vorbild – weder optisch
noch in Funktion.
Wo rohe Kräfte walten.
Der Unterschied
im Kaliber ist jedoch der entscheidende
Punkt. Zum Vergleich: Ein Blick auf die
nackten Herstellerangaben verrät die
Geschossgeschwindigkeit und -energie.
So entwickelt (ohne Berücksichtigung
der 200-mm-Lauflänge der LP-08) eine
alte 7,65 mm Parabellum (Fiocchi mit
5,5-g-Geschoss) eine v
0
von 370 m/s bei
einer Energie von 412 J. Eine moderne
9 mm Luger (S&B, 8 g) bringt es auf 355
m/s und 504 J, während die alte, hier
verwendete 7,63 mm Mauser (Prvi Parti-
Geschoss, v
0
: 502 m/s, E
0
: 693 J) einge-
richtet und bereits mit Erfolg geschos-
sen hat. Auch dies hält der klassische
08er-Verschluss aus, wenn man nur die
Laufmasse auf die Patrone abstimmt.
Schließlich basiert diese Verschlussart
auf dem Hiram-Maxim-Verschluss, der
ursprünglich in Maschinengewehren
zur Anwendung kam.
In der Praxis.
Die lange Werle-Luger
schießt sich ordentlich und störungs-
frei, wie Werle auch in einigen selbst
Gut verkuppelt. 
Das  Anschlagbrett  lässt  sich 
gedrehten Videos auf Youtube unter Be-
weis stellt. Leider war es der Redaktion
einfach anbringen und erhöht die Präzision.
nicht möglich, selbst mit der langen Pis-
zan, 5,5 g) eine v
0
von 460 m/s bei einer
tole 08 von Werle auf den Schießstand
E
0
von 580 J erreicht.
zu gehen. Doch wurde uns versichert,
Das sind zunächst beeindruckende
dass 30-mm-Streukreise auf 25 m ohne
Werte. Doch wie kommt der gute, alte
Weiteres machbar seien – aufgelegt oder
Kniegelenkverschluss damit klar? Laut
stehend mit Anschlagbrett. Klar ist aber
Werle, kein Problem! Zunächst sei dazu
auch, dass sich Ordonnanzwettbewerbe
gesagt, dass gerade in der 7,63-mm-Vari-
mit dieser modifizierten Waffe verbie-
ante trotz höherer Leistung
ten. Und so ist und bleibt
deutlich weniger Kräfte auf
Das Kniegelenk wird
die Werle-Artillerie-Luger
das Kniegelenk einwirken,
zu guter Letzt nichts wei-
als dies bereits mit norma-
völlig unterschätzt
ter als ein extravagantes
ler 9-mm-Luger-Munition
Sammler- und Spaßobjekt
der Fall ist. Aufgrund des im Vergleich
– gemessen an der hohen Zahl an Ar-
zur 9 mm reduzierten Geschossdurch-
beitsstunden, die Herbert Werle hier hi-
messers und geringerem Geschossge-
nein steckt, ein teures noch dazu.
wichtes, reduziert sich der Gesamt-
Werle veranschlagt dafür 4940 Euro.
Optional kommen weitere 1200 Euro
rückstoß und somit die Belastung des
Kniegelenks sogar, was Herbert Werle
für die in der Tat edlen, aus echtem El-
sich auch offiziell von Lothar Walther
fenbein von Meisterhand in Odenwäl-
bestätigen ließ. Doch wird seiner Mei-
der Erbach im Weinrankenmuster ge-
nung nach diese Verschlussart sowieso
schnitzten Griffschalen hinzu. Schade,
prinzipiell unterschätzt. Solch ein Ver-
dass dann nicht noch ein zweites Ma-
schlusssystem würde viel mehr aushal-
gazin mit ebenfalls elfenbeinfarbenem
ten und wäre deutlich weniger störanfäl-
Magazinboden mit dabei ist. Die hellen
Griffschalen wollen mit dem hölzernen
lig, als sich die meisten waffentechnisch
Interessierten, ja selbst viele Fachleute
Magazinabschluss einfach nicht so recht
vorzustellen vermögen. Als Beweis führt
harmonieren, so gut dieser sich auch
Werle an, dass er bereits 08-Systeme
in Kombination mit den, mit griffigem
im kräftigen Kaliber 7,62 mm Tokarew
Fischhautmuster versehenen, original-
(beispielsweise S&B-Fertigung mit 5,5-g-
getreuen Holzgriffschalen macht.
4
DAS ERGEBNIS JAHRELANGER FORSCHUNGSARBEIT.
JOSEF MÖTZ, JOSCHI SCHUY — VOM URPSRUNG DER SELBSTLADEPISTOLE
Neben der Behandlung sämtlicher Modelle der oben angeführten Pistolensysteme, im Fall
ausländischer Systeme jener mit Österreichbezug, wird auf das militärische Waffenwesen
im k.u.k. Heer, das Patent- und Beschusswesen, die Vorgeschichte der Repetier- und Selbst-
ladepistole im internationalen Vergleich sowie auf die Munition eingegangen.
862 Seiten,
Format
30,0 cm × 21,0 cm, geb. Ausgabe
Best.-Nr.
X1-1586
89,00 €
FRAGEN?
VERTRIEB: Tel. +49 (0)7953 9787-0
oder per E-Mail: vertrieb@dwj-verlag.de, Onlineshop: www.dwj-medien.de
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